Anja K.

Anklageschrift

An: Prof. Dr. Dr. K.
Von: Anja K.

April 2005 / 24 Jahre danach

Hiermit klage ich dich, meinen sogenannten Vater, für Folgendes an:

  • dass Du mich sexuell missbraucht hast, was begann als ich noch ein Kleinkind war und bis etwa zu meinem 14. Lebensjahr andauerte
  • dass Du durch die Übergriffe in mir Gefühle (=sexuelle Erregung) verursacht hast, mit denen ich überhaupt nicht umgehen konnte
  • dass Du durch die Übergriffe bei mir ebenso Schmerz, Übelkeit, Schwindel u.a. Unwohlsein verursacht hast, was ich noch nicht einmal mitteilen konnte
  • dass Du die Übergriffe so durchgeführt hast, dass ich mich möglichst schlecht daran erinnern kann: Nachts im Halbschlaf, vielleicht noch durch ein zusätzliches Hilfsmittel manipuliert (stechend-süßlicher Geruch in meinen Flashbacks); zurück blieben komische, peinliche Gefühle, Schmerz, Übelkeit, Scham, Schuldgefühl
  • dass ich mich als Folge der Übergriffe in mich zurückgezogen habe und körperliches Leid für mich behalten sowie seelische Probleme mit mir selber ausgemacht habe: völlige innere Abkapselung, um Fürsorge betrogen
  • dass durch die ständige Zurückhaltung von mir Eigenem die Auslebung und Entwicklung meiner Persönlichkeit stark gestört wurde
  • dass die Entwicklung meiner kindlichen Persönlichkeit durch auferlegte Regeln, Prinzipien und Verhaltensmaßregelungen noch zusätzlich unterdrückt wurde
  • dass in unserer „Familie“ immer „heile Welt“ gespielt wurde und meine Probleme und Verhaltensauffälligkeiten auf „Verrücktsein“ meinerseits geschoben wurde, anstatt das Verrückt-Sein der Familie bzw. meines Vaters zu beleuchten
  • dass ich immer ein Doppelleben führen musste: nach außen normal sein dürfend, wie alle anderen, in der „Familie“ aber sofort wieder in meine Rolle verfallend, „verrückt-seiend“, meine Rechte auf Leben verlierend
  • dass ich mir oft „minderwertig“ vorkommen musste gegenüber vielen Altersgenossen
  • dass ich keine Eltern hatte, in deren Arme ich mich hätte fallen lassen können
  • dass ich nach dem Unfall, den ich mit 13 Jahren hatte, aufgrund der Vorbelastung und des Nicht-Aufgefangen-Werdens schwere psychische Probleme mit Zwangsvorstellungen, Todesängsten, Zwangshandlungen ... bekam und dass diese besonders schwere Zeit in meinem Leben mir Jahre an Bildungsrückstand beschert hat, da ich fast ganz in meiner eigenen Welt lebte
  • dass ich eine Zeit lang unter so großen Angstzuständen und Panikattacken leiden musste, dass ich kaum das Haus verlassen konnte
  • dass ich Jahrzehnte danach noch oft im Schlaf schrie, am Daumen lutschte und selten auch ins Bett nässte
  • dass ich Jahrzehnte danach noch Defizite habe, die ihren Ausgleich in hospitalistischen Bewegungen, Daumenlutschen, ... suchen
  • dass ich heute noch keine Wurzeln habe, da meine Kindheit in meiner Erinnerung wie ein Alptraum im Nebel verschwindet
  • dass ich noch immer beeinträchtigt bin beim Ausleben meiner sexuellen Bedürfnisse
  • dass ich immer noch daran arbeite, beruflich auf eigenen Füßen zu stehen

                                                                                August 2008 / 27 Jahre danach

 

Anja K.

Wo warst Du, Mutter?!                     

Wo warst Du, Mutter, wenn er nachts zu mir kam um sich an mir zu vergehen?!

Wo warst Du, Mutter, wenn ich in den Nächten erwachte, von Alpträumen gequält oder mich irgendwo, nicht wissend wo, im Raum befindend?!

Wo warst Du, Mutter, wenn ich verstört aus meinem Bett stieg am Morgen?!

Wo warst Du, Mutter, wenn ich keinen Appetit hatte beim Essen?!

Wo warst Du, Mutter, wenn ich mich krümmte vor Schmerzen?!

Und nebenbei: hast Du nicht auch meine Windeln gewechselt / meine Wäsche gewaschen?!

Wo warst Du, Mutter, wenn ich von meinem „Vater“ als „verrückt“ bezeichnet wurde?!

Wo warst Du, Mutter, als ich mich als Schutz-Reaktion innerlich immer mehr abgeschirmt habe - vor Euch?!

Wo warst Du, Mutter, als ich in den Jahren nach meinem Verkehrsunfall - der mir das bisschen Erdung, was mir blieb, auch noch genommen hat - Zwangsgedanken und Todesängste hatte?!

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