Silvia

Realität

in einem kleinen Ort bei Eggenfelden (Rottal-Inn, Niederbayern),

Ein "Detail" (~1986)...

Zweite oder dritte Klasse. Schulklasse.

Vormittags. Liege im Bett, um meine Erkältung auszukurieren.

ER. Sehe ihn in der Tür stehen, wie immer, wenn er wieder was haben will, in seinem weißen Unterhemd. Mir wird schlecht und so komisch.

- Aber diesmal müsste er einsehen, es geht wirklich nicht, bin doch krank und fiebrig.

ER fragt wie üblich "Host no Blotz?", aber HEUTE trau' ich mich: "Naa, i bin krank."

ER hört mich gar nicht, presst sein grässliches kaltes Fleisch in mein warmes Bett.

Zieht die Decke dabei so weit hoch, dass sie mein Gesicht halb bedeckt.

Ich möcht' sie runterziehen, weil ich da keine Luft mehr kriege.

Antwort: "Wennst jetzt ned sofort staad bist, griagst boid überhaupst koa Luft nimma."

 

Sekunden – ganz wach – still halten, gelähmte Angst, blitzschnell überlegen.

Bloß nichts anmerken lassen, sonst wird's gefährlich.

Schreien?

Aber Mama ist in der Arbeit. Oma - könnte da draußen auf dem Feld sein

 – aber bis die mich hört, bin ich wahrscheinlich schon tot.

Falls sie überhaupt hört.

Selbst in diesem Fall drückt er mir wahrscheinlich vorher den Hals zu.

GAAANNZZ STILLHALTEN, damit er mich nicht umbringt.

Nach dieser Sekunde – zack, weg. Gut gemacht, Psyche! Echt gut funktioniert!!

 

Erzählt habe ich's erst Jahre später.

Als die Polizei kam, wegen der anderen Mädchen.

Als ich 5 war, hat's Mami gesehen, als ich 9 war, hab' ich's dem Pfarrer gebeichtet.

Als ich 14 war, bin ich abgehauen von daheim.

Mit 16 stand ich auf dem Kran.

Mit 19 Alkoholvergiftung mit Verkehrsunfall.

Mit 20 Jahren als psychisches Skelett zum Studium nach München.

Mit 24 Jahren 5 Monate Klinik.

Und jetzt hole ich mir mein Leben zurück. Ich bin 27.

                                    Silvia, geb. 1977, am 18.11.04 in München

 

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